Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2023 – Das ist neu

Fachkräftemangel, demographischer Wandel, Ukrainekrieg, schwächelnde Wirtschaft, hohe Energiepreise: die aktuelle Lage der deutschen Wirtschaft könnte besser sein. Umso erfreulicher ist es, dass endlich das viel diskutierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz nun offiziell im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde. Mit diesem Gesetz, das ab November 2023 schrittweise in Kraft tritt, öffnet Deutschland seine Türen für eine breitere Palette von Fachkräften und bietet eine Fülle von Möglichkeiten für diejenigen, die ihr Können und ihre Erfahrung in der deutschen Wirtschaft einbringen möchten. In diesem Blogbeitrag werden wir einen genaueren Blick auf das Fachkräfteeinwanderungsgesetz werfen, herausfinden, wer als Fachkraft gilt und was sich durch dieses Gesetz ändert.

Was steht im Fachkräfteeinwanderungsgesetz?

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz besteht aus mehreren Teilen und wird schrittweise ab November 2023 in Kraft treten. Es beinhaltet umfassende Änderungen und Erweiterungen der Einwanderungsmöglichkeiten für Fachkräfte aus dem Ausland. Hier sind einige der wichtigsten Neuerungen:

Die neue Blaue Karte EU ab November 2023:

Eine der signifikantesten Änderungen, die das Gesetz mit sich bringt, betrifft die Blaue Karte EU, die ab November 2023 neu gestaltet und erweitert wird. Die Blaue Karte EU war zuvor auf hochqualifizierte Fachkräfte mit Hochschulabschlüssen beschränkt, aber das Gesetz senkt nun die Gehaltsgrenzen erheblich. In sogenannten Engpassberufen beträgt das Mindestgehalt nur noch 45,3% der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung (im Jahr 2023: 39.682,80 Euro), während es für andere Berufe 50% (im Jahr 2023: rund 43.800 Euro) beträgt.

Erleichterter Familiennachzug

Für Inhaberinnen und Inhaber der Blauen Karte EU, die bereits mit ihrer Familie in einem anderen EU-Mitgliedsstaat gelebt haben, gibt es eine bevorzugte Regelung für den Familiennachzug. Wenn die Familienangehörigen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit ein Visum benötigen, können sie mit den Aufenthaltstiteln, die im vorherigen Mitgliedsstaat ausgestellt wurden, als Familienangehörige einer Blauen-Karte-EU-Inhaberin oder eines Blauen-Karte-EU-Inhabers nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten, ohne zuvor ein Visum beantragen zu müssen. Bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in Deutschland entfallen die normalerweise erforderlichen Nachweise für ausreichenden Wohnraum und die Sicherstellung des Lebensunterhalts.

Erweiterte Möglichkeiten für IT-Spezialisten

IT-Spezialisten können nun auch ohne Hochschulabschluss eine Blaue Karte EU erhalten, sofern sie über mindest drei Jahre Berufserfahrung verfügen. Diese Berufserfahrung ist beispielsweise durch Arbeitszeugnisse nachzuweisen und soll den enormen Bedarf in dieser Branche decken.

Kurzfristige und langfristige Mobilität

Inhaber einer Blauen Karte EU aus anderen EU-Mitgliedstaaten können nun kurz- und langfristig nach Deutschland kommen. Für einen Aufenthalt von bis zu 90 Tagen ist weder ein Visum noch eine Arbeitserlaubnis erforderlich, und nach einem Mindestaufenthalt von zwölf Monaten in einem anderen EU-Staat kann eine langfristige Umzugsoption nach Deutschland ohne Visum genutzt werden.

Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis

Fachkräfte mit Berufsausbildung haben nun einen Anspruch auf den Erhalt eine Aufenthaltserlaubnis, unabhängig von der Verbindung zwischen Qualifikation und Beschäftigung. Das heißt, Fachkräfte dürfen künftig auch einen anderen Beruf als den erlernten ausüben.

Anerkennungspartnerschaft zur Anerkennung einer ausländischen Qualifikation

Die Möglichkeiten für den Aufenthalt zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen werden ausgebaut. Mit der sogenannten Anerkennungspartnerschaft können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Einreise des Kandidaten gemeinsam verpflichten, die Berufsanerkennung in Deutschland zu beantragen. Die neue Regel gilt für Arbeitnehmer mit einer abgeschlossenen und staatliche anerkannten Ausbildung im Heimatland. Der Arbeitnehmer darf dann künftig direkt einreisen und im Betrieb arbeiten, die Anerkennung wird dann von Deutschland aus beantragt.

Chancenkarte zur Jobsuche

Diese Karte kann auf zwei Arten erhalten werden: Drittstaatsangehörige, die eine ausländische Qualifikation besitzen, die als gleichwertig angesehen wird und daher als „Fachkräfte“ gemäß § 18 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes gelten, können die Chancenkarte ohne weitere besondere Voraussetzungen erhalten.

Alle anderen müssen einen ausländischen Hochschulabschluss, einen mindestens zweijährigen Berufsabschluss (der im Ausbildungsstaat staatlich anerkannt ist) oder einen von einer deutschen Auslandshandelskammer erteilten Berufsabschluss nachweisen. Darüber hinaus sind einfache deutsche Sprachkenntnisse (Niveau A1 GER) oder englische Sprachkenntnisse (Niveau B2 GER) erforderlich. Sobald diese Voraussetzungen erfüllt sind, können Punkte in verschiedenen Kategorien gesammelt werden, darunter die Anerkennung der Qualifikationen in Deutschland, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter, Verbindung zu Deutschland sowie das Potenzial der mitziehenden Lebenspartner oder Ehepartner. Um die Chancenkarte zu erhalten, müssen mindestens sechs Punkte erreicht werden.

Die Chancenkarte wird für höchstens ein Jahr ausgestellt, wenn der Lebensunterhalt für diesen Zeitraum gesichert ist. Während des Aufenthalts in Deutschland ermöglicht sie die Probearbeit oder Nebenbeschäftigung für bis zu 20 Stunden pro Woche. Falls danach kein anderer Aufenthaltstitel gemäß Abschnitt 4 (§§ 18 bis 21 des Aufenthaltsgesetzes) beantragt werden kann, jedoch ein Angebot für eine qualifizierte Beschäftigung vorliegt, kann die Chancenkarte um weitere zwei Jahre verlängert werden.

Erweiterung der Westbalkanregelung

Die Westbalkanregelung gewährt Staatsangehörigen aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt, und zwar für jede Art von Tätigkeit, die nicht speziell reglementiert ist. Ursprünglich war diese Regelung bis zum Ende des Jahres 2023 befristet. Mit der Einführung der Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung wird die Westbalkanregelung nun zeitlich unbegrenzt fortgesetzt. Ab Juni 2024 wird die Bundesagentur für Arbeit jährlich bis zu 50.000 Zustimmungen für Arbeitsaufnahmen im Rahmen dieser Regelung erteilen können.

Welche Berufe zählen als Fachkräfte?

Die Liste der Engpassberufe für die Blaue Karte EU wird erheblich erweitert. Zusätzlich zu den bisherigen Engpassberufen, die Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und Humanmedizin umfassen, können Fachkräfte in verschiedenen anderen Berufsgruppen nun ebenfalls eine Blaue Karte EU erhalten, sofern sie die anderen erforderlichen Kriterien erfüllen. Diese neuen Berufsgruppen umfassen:

  • Führungskräfte in der Produktion in den Bereichen Warenherstellung, Bergbau, Bauwesen und Logistik.
  • Führungskräfte im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie.
  • Führungskräfte in spezialisierten Dienstleistungssektoren wie Kinderbetreuung und Gesundheitswesen.
  • Tierärztinnen und Tierärzte.
  • Zahnärztinnen und Zahnärzte.
  • Apothekerinnen und Apotheker.
  • Akademisch ausgebildete Krankenpflege- und Geburtshilfefachkräfte.
  • Lehr- und Erziehungskräfte im schulischen und außerschulischen Bereich.

Die vollständige Liste kann auf Make it in Germany eingesehen werden.

Warum braucht Deutschland immer noch ausländische Arbeitskräfte?

Die Frage nach dem Bedarf an ausländischen Arbeitskräften in Deutschland ist komplex und von verschiedenen Faktoren geprägt. Deutschland ist eine der stärksten Volkswirtschaften der Welt und verzeichnete in den letzten Jahren ein stetiges Wirtschaftswachstum. Dennoch gibt es mehrere Gründe, warum das Land weiterhin auf ausländische Fachkräfte angewiesen ist.

  1. Demografischer Wandel: Deutschland steht wie viele andere Industrieländer vor einem starken demografischen Wandel. Die Bevölkerung altert, die Geburtenrate ist vergleichsweise niedrig, und die Anzahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter schrumpft. Dies führt zu einem Fachkräftemangel in vielen Branchen, da nicht ausreichend junge einheimische Arbeitskräfte verfügbar sind.
  2. Spezialisierte Berufsfelder: In einigen Berufsfeldern, wie beispielsweise dem Gesundheitswesen, der Informationstechnologie und dem Ingenieurwesen, gibt es einen besonders hohen Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften. Diese Berufe erfordern spezielle Qualifikationen und Fähigkeiten, die nicht immer in ausreichendem Maße im Inland verfügbar sind.
  3. Globalisierung und Internationalisierung: Deutschland ist eine exportorientierte Volkswirtschaft und stark in den globalen Handel integriert. Dies erfordert eine breite Palette von Fachkräften, die internationale Geschäftsbeziehungen unterstützen können, sei es in den Bereichen Logistik, internationaler Vertrieb oder Exportabwicklung.
  4. Technologischer Fortschritt: Die rasante Entwicklung von Technologien wie künstlicher Intelligenz, Maschinenbau und Digitalisierung eröffnet neue Berufsfelder und erfordert gleichzeitig hochspezialisierte Fachkräfte, die mit diesen Technologien arbeiten können.
  5. Arbeitskräftebedarf in ländlichen Regionen: Während die Ballungsräume in Deutschland oft gut mit Arbeitskräften versorgt sind, gibt es in ländlichen Regionen einen anhaltenden Mangel an Fachkräften. Ausländische Arbeitskräfte können dazu beitragen, diese Lücken zu schließen.

Angesichts dieser Herausforderungen hofft die deutsche Regierung, ausländischen Fachkräften den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Fazit

Die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte für Deutschland wird in den nächsten Jahren von entscheidender Bedeutung sein, um den wirtschaftlichen Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes aufrechtzuerhalten. Es wird erwartet, dass der Bedarf an internationalen Fachkräften in den kommenden Jahren weiter steigen wird, was die Bedeutung einer gut durchdachten Einwanderungspolitik unterstreicht, die die Integration und den Beitrag ausländischer Fachkräfte in Deutschland fördert.
Tatsächlich bleibt jedoch abzuwarten, ob das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz die gewünschten Erleichterungen bringt und die Attraktivität von Deutschland als Einwanderungsland fördert. Noch ist die Umsetzung vieler Regeln unklar, beispielsweise ist nicht bekannt, wie ein „im Heimatland staatlich anerkannter Abschluss“ auszusehen hat, bzw. wer dies entscheidet. Zu Guter Letzt nützt auch ein modernes Einwanderungsgesetz nichts, wenn die beteiligten Ausländerbehörden und Botschaften nicht dringend personell aufgestockt werden, um der künftig wohl steigenden Nachfrage, Herr zu werden. Hier muss also dringend nachgebessert werden, dass der Nutzen des neuen Gesetzes nicht verpufft.