Auszubildende aus dem Ausland einstellen

Der Fachkräftemangel stellt für viele Firmen eine große Herausforderung dar. Bereits jetzt können mehr als die Hälfte aller Betriebe nicht mehr alle ihre ausgeschriebenen Stellen besetzen. Doch das ist noch nicht das Ende: die Zahl erwerbstätiger Arbeitskräfte droht bis 2035 um mehr als fünf Millionen zu schrumpfen. Gerade kleinere und mittlere Firmen (sog. KMUs) leiden enorm unter dem Fachkräftemangel. Auch die Suche von Azubis gestaltet sich zunehmend schwieriger. Manche Firmen kommen deshalb auf die Idee, Auszubildende aus dem Ausland einzustellen. Was Sie dabei beachten müssen und wie der Einstieg in die Firma gelingt, erfahren Sie in diesem Artikel.

Warum Auszubildende aus dem Ausland?

Die Vorteile von Auszubildenden aus dem Ausland

Viele Firmen klagen über ein nachlassendes Interesse an klassischen Ausbildungsberufe. Dies gilt vor allem in Branchen wie dem Handwerk, der Industrie oder auch im Gastgewerbe. Viele Schulabsolventen möchten lieber studieren, anstatt eine oft körperlich anstrengende Ausbildung zu absolvieren. Hinzu kommt, dass oft viele Vorurteile wie harte Arbeitsbedingungen oder eine schlechte Bezahlung, existieren. Hinzu kommt der demographische Wandel: in den nächsten Jahren werden viele Berufstätige aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Gleichzeitig kommen immer weniger Jugendliche nach, die diese Lücken füllen könnten. Dies führt dazu, dass oft Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben und langfristig Fachkräfte im Betrieb fehlen.

Die demographische Situation stellt sich im Ausland oft anders dar. In Lateinamerika beispielsweise steigt die Bevölkerung laut einer Modellrechnung der Vereinten Nationen bis zum Jahr 2050 um weitere 130 Millionen Menschen an.1 Auch in Asien wird die Bevölkerungszahl bis zum Jahr 2050 weiter zunehmen.2 Im Ausland liegen also potentiell viele Chancen für die Rekrutierung von Nachwuchskräften.
Das Einstellen von Auszubildenden aus dem Ausland fördert die Vielfalt im Unternehmen. Mitarbeiter erwerben wichtige interkulturelle Kompetenzen. Oft bringen ausländische Auszubildende neue Perspektiven und Ideen für den Betrieb mit, was Innovationen fördern kann. Viele Betriebe vertreiben ihre Produkte auch im Ausland. Hier können Auszubildende aus dem Ausland durch ihre Sprachkenntnisse und Kenntnis des lokalen Markts wichtige Beiträge zum Erfolg leisten.
Mehr Vorteile ausländischer Mitarbeiter.

Doch was ist bei der Einstellung von ausländischen Auszubildenden zu beachten?

Rechtliche Voraussetzungen

Möchte eine Firma ausländische Auszubildende einstellen, muss zunächst nach Herkunftsregion unterschieden werden. Denn je nach Region gelten unterschiedliche Regeln und Gesetze die zu beachten sind. Generell kann gesagt werden, dass die Rekrutierung von europäischen Auszubildenden durch bestehende Abkommen deutlich vereinfacht ist.

Auszubildende aus dem EU-Ausland

Die Einstellung von Auszubildenden aus dem europäischen Ausland gestaltet sich verhältnismäßig einfach. Bürger aus EU-Mitgliedsstaaten sowie der EFTA-Region (Europäische Freihandelsassoziation) – das sind Liechtenstein, die Schweiz, Norwegen und Island – können ohne zusätzliche Genehmigung eine Berufsausbildung in Deutschland absolvieren. Sie müssen also lediglich einen Ausbildungsvertrag aufsetzen und vom Auszubildenden unterschreiben lassen. Nach der Ankunft in Deutschland muss sich der Azubi innerhalb von zwei Wochen beim jeweils zuständigen Bürgeramt oder der Einwohnermeldebehörde anmelden. Jedoch ist es auch in der EU zunehmend schwieriger geworden, junge und motivierte Kandidaten zu finden, die eine Ausbildung in Deutschland absolvieren möchten. Hier bietet es sich an, die Suche auf außerhalb Europas auszuweiten.

Auszubildende außerhalb der europäischen Union (Drittstaaten)

Im Nicht-EU Ausland gibt es wie bereits erwähnt viele hoch motivierte und ehrgeizige Kandidaten. Aufgrund fehlender Abkommen sind die Anforderungen für die Einstellung jedoch etwas höher. Es gilt folgende Punkte zu beachten:

Ausbildungsvertrag

Vor der Beantragung eines Visums muss ein unterschriebener Ausbildungsvertrag vorliegen. Dieser muss in manchen Fällen im Original bei der Botschaft vorgelegt werden, oft ist auch eine Bestätigung der Eintragung des Ausbildungsverhältnisses beispielsweise durch die IHK, verpflichtend. Die genauen Anforderungen sind auf der Website der jeweiligen deutschen Auslandsvertretung nachzulesen. Beim Ausbildungsvertrag empfiehlt es sich, einen Absatz zu ergänzen, wonach der Vertrag erst Gültigkeit mit der Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltserlaubnis, bekommt.

Sprachkenntnisse

Für Auszubildende aus Drittstaaten gilt, dass zum Zeitpunkt der Beantragung des Visums ein Sprachlevel in Deutsch von B1 gemäß dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) benötigt wird. Das Sprachzertifikat muss hierbei von einer anerkannten Stelle ausgestellt worden sein. Hierzu zählen beispielsweise das Goethe-Institut, die telc GmbH und das TestDaF-Institut. In Ausnahmefällen kann von diesem Nachweis abgesehen werden wenn der Betrieb bescheinigt, dass die Sprachkenntnisse des Auszubildenden ausreichend sind. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass bereits das Sprachlevel B1 eher die untere Grenze darstellt und für die Erfordernisse in der Berufsschule und im Arbeitsalltag meist nicht ausreichend ist. Hier ist eher ein Sprachlevel B2-C1 empfehlenswert. Manche Auslandsvertretungen begrenzen auch hier die Gültigkeit der Nachweise, so darf beispielsweise in Indonesien das Sprachzertifikat zum Zeitpunkt der Antragstellung maximal 12 Monate alt sein.

Schulabschluss

Eine Ausbildung in Deutschland ist in der Regel nur möglich, wenn ein gültiger ausländischer Schulabschluss vorgelegt werden kann. Auch hier gelten abhängig von der jeweiligen Botschaft eventuell besondere Regelungen.

Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit

Im Rahmen der Visumbeantragung wird die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit eingeholt. Hier gibt es seit März 2024 eine entscheidende Erleichterung: es wird keine Vorrangprüfung mehr durchgeführt, d.h. die Arbeitsagentur prüft nicht mehr, ob es für die zu besetzende Stelle einen verfügbaren inländischen oder europäischen Bewerber gibt. Die Bundesagentur für Arbeit prüft jedoch, ob die Arbeitsbedingungen denen eines inländischen Auszubildenden entsprechen. Keinesfalls darf der Auszubildende aus dem Ausland weniger verdienen oder schlechter gestellt sein als ein deutscher Auszubildender.

Tipp: meistens kann das Visumverfahren beschleunigt werden, wenn der Arbeitgeber bereits im Vorfeld eine Vorabzustimmung der Bundesagentur für Arbeit beantragt.

Lebensunterhalt muss gesichert sein

Im Rahmen der Visumsbeantragung wird ebenfalls geprüft, ob der Lebensunterhalt des Auszubildenden in Deutschland ausreichend ist. Dieser Lebensunterhalt ist an den Bafög-Satz geknüpft und beträgt aktuell 950 Euro pro Monat. Liegt das Gehalt des Auszubildenden darunter, besteht die Möglichkeit, ein Sperrkonto einzurichten oder von Dritten eine sogenannte Verpflichtungserklärung unterzeichnen zu lassen. Stellt der Arbeitgeber eine kostenlose Unterkunft oder kostenlose Verpflegung, so wird der Satz für den Lebensunterhalt entsprechend vermindert.

Die Entscheidung über die Visumserteilung wird letztlich von der zuständigen Auslandsvertretung getroffen. Dort können weitere Infos über das Visum eingeholt werden.

Ablauf der Rekrutierung eines Auszubildenden aus dem Ausland

Suche im Ausland

Zunächst muss ein geeigneter Kandidat im Ausland gefunden werden. Hilfreich können hier Kontakte von eigenen Mitarbeitern, Kunden oder Lieferanten sein. Größere Firmen besitzen meistens internationale Niederlassungen und haben so leicht die Möglichkeit, im Ausland zu rekrutieren. Ferner kann die Hilfe einer professionellen Personalvermittlungsagentur wie Acaluna in Anspruch genommen werden. Zunächst sollte im Rahmen des Bewerbungsprozesses geprüft werden, ob obig genannte Anforderungen für die Erteilung eines Visums erfüllt sind. Wichtig ist es außerdem, bereits vorher die Erwartungen beider Seiten miteinander abzugleichen, damit es später nicht zu Konflikten oder Missverständnissen kommt. Hierzu gehört unter anderem eine transparente Beschreibung der Stelle mit den zu ausführenden Tätigkeiten und Lerninhalten. Auch ist es wichtig, bereits im Bewerbungsgespräch den künftigen Arbeitsort und die dortigen Besonderheiten zu thematisieren. Sind sich beide Parteien einig, kann der Ausbildungsvertrag unterschrieben werden.

Damit Sie einen Eindruck von möglichen Auszubildenden aus dem Ausland bekommen, möchten wir Ihnen hier kurz das Bewerbungsvideo von Gabriel vorstellen, einem jungen Mann aus Brasilien, der dieses Jahr in Deutschland eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker absolvieren wird.

Sprachkurs für Auszubildende aus dem Ausland

Idealerweise startet bereits im Heimatland die sprachliche Vorbereitung durch Sprachkurse. Diese können entweder vom Auszubildenden in Eigenregie organisiert werden, besser ist es jedoch, wenn die Firma selbst oder mittels einer Agentur einen geeigneten Kurs auswählt. Hierbei ist darauf zu achten, dass auch ein offiziell anerkanntes Sprachlevel erreicht werden kann. Gegebenenfalls können bereits im Rahmen des Sprachkurses berufsspezifische Wörter und Termini vermittelt werden. Hilfreich ist es auch, wenn die Bewerber bereits im Ausland eine kulturelle Vorbereitung erhalten. Dort können Besonderheiten der deutschen Kultur (etwa wichtige Werte wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sowie einige wichtige Regeln und Gesetze) anschaulich gemacht werden.

Beantragung des Visums

Liegen die oben genannten Voraussetzungen vor, kann das Visum für den Auszubildenden beantragt werden. Dies sollte möglichst früh erledigt werden, da es oft längere Wartezeiten in den ausländischen Vertretungen gibt. Hierfür sind die notwendigen Unterlagen und Dokumente einzureichen. Wenn das Visum erteilt wurde kann der Auszubildende nach Deutschland reisen.

Ankunft in Deutschland

Nachdem der künftige Auszubildende in Deutschland angekommen ist, sind einige bürokratische Aufgaben zu erledigen. So muss sich der neue Mitarbeiter innerhalb von zwei Wochen bei der Ausländerbehörde melden. Ferner steht ein Gang zum Meldeamt an. Nach der Meldung erhält der Auszubildende eine steuerliche Identifikationsnummer vom Bundeszentralamt für Steuern. Außerdem muss eine Krankenversicherung abgeschlossen werden. Des Weiteren wird meist ein Handy- und Internetvertrag benötigt. Je nachdem wie der Auszubildende untergebracht ist, sind ferner Gas- und Stromverträge wichtig. Bereits in diesem Schritt bietet es sich an, den Mitarbeiter von einem Mentor aus der Firma begleiten zu lassen, da diese Aufgaben mit anfangs begrenzten Sprachkenntnissen sehr komplex sein können.

Betriebliches Onboarding

Bereits vor dem ersten Tag in der Firma wird idealerweise ein betriebliches Integrationskonzept ausgearbeitet. Darin ist vermerkt, wer dem Auszubildenden in welcher Phase als Mentor zur Seite steht und an wen er sich bei Fragen wenden kann. Auch sollten die anderen Mitarbeiter sensibilisiert werden, wie mit Sprachproblemen umzugehen ist und wie eine Verständigung gefördert werden kann. Gerade am Anfang sollte dem neuen Mitarbeiter alles ausführlich erklärt werden, sodass ein gelungener Einstieg in das Arbeitsleben möglich ist.

Während der Ausbildung

Vertiefende Sprachkurse

Auch während der Ausbildung sind weitere, vertiefende Sprachkurse, gerade im beruflichen Kontext, sinnvoll. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bietet sogar kostenlose Sprachkurse an, die Auszubildenden müssen jedoch während der Kurszeiten von der Arbeit freigestellt werden. Weitere Infos erteilt die zuständige Agentur für Arbeit. Entsprechende Angebote sollten unbedingt genutzt werden, da die Beherrschung der Sprache ein wichtiger Schritt im Rahmen des Integrationsprozesses darstellt und die Chancen für einen langfristigen Aufenthalt in Deutschland deutlich erhöht werden.

Nebentätigkeit

Während der Ausbildung mit einer Mindestdauer von zwei Jahren darf einer Nebenbeschäftigung im Umfang von bis zu 10 Stunden pro Woche nachgegangen werde. Diese Nebentätigkeit muss von der Ausländerbehörde genehmigt werden. Diese Möglichkeit wird von Auszubildenden gerne genutzt, um sich nebenher etwas Geld dazu zu verdienen.

Bei Schwierigkeiten

Treten während der Ausbildung Schwierigkeiten oder Zweifel auf, sollte zunächst der offene Dialog mit dem Auszubildendem und seinem persönlichen Mentor gesucht werden. Sollte dies nicht erfolgreich sein, besteht die Möglichkeit, sich externe Hilfe zu holen.
Ein Angebot ist beispielsweise die Initiative VerA des Bundesministeriums für Bildung, bei der die Auszubildenden einen erfahrenen, externen Mentor als Ansprechpartner bekommen. Dieser kann dann als Vermittler zwischen dem Auszubildenden und dem Betrieb agieren.
Bei Schwierigkeiten im Rahmen des Lernens oder der Sprache helfen Angebote der Agenturen für Arbeit. Einen Überblick finden Sie hier.

Abbruch der Ausbildung

Wird die Ausbildung abgebrochen ist der Arbeitgeber verpflichtet, diesen Sachverhalt innerhalb von vier Wochen der zuständigen Ausländerbehörde zu melden. Ansonsten drohen hohe Bußgelder.

Gelungene Integration und Zukunftsperspektive

Um den Auszubildenden langfristig im Betrieb zu halten, ist eine gelungene Integration fundamental. Dem neuen Mitarbeiter sollten gerade am Anfang Angebote zu Freizeitaktivitäten und Hobbies unterbreitet werden. Oft bewährt es sich, wenn gleichaltrige Kollegen Unterstützung anbieten und den neuen Mitarbeiter beispielsweise zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten mitnimmt. Hilfreich ist es auch, wenn mehrere Auszubildende aus der gleichen Region eingestellt werden, da sich diese so untereinander austauschen und bei Problemen unterstützen können.

Fazit zu Auszubildenden aus dem Ausland

Bei der Einstellung von Auszubildenden aus dem Ausland sind einige rechtliche Besonderheiten zu beachten. Für kleine Firmen kann der Prozess anfangs oft überfordernd sein. Jedoch sollten die langfristigen Chancen, die eine Rekrutierung aus dem Ausland bieten kann, immer im Blick behalten werden. Der demographische Wandel rückt die Gewinnung von ausländischen Mitarbeitern mehr und mehr in den Vordergrund. Firmen die bereits jetzt das Potential hochmotivierter junger Menschen aus dem Ausland nutzen sind auf dem besten Weg, sich nachhaltig für die Zukunft vorzubereiten.

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Quellen

1: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung: Bevölkerungszahl und ihr Wachstum, Lateinamerika und Karibik (1950-2020). Abgerufen am 28.04.2023. Link
2: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung: Bevölkerungszahl und ihr Wachstum, Asien (1950-2020) Link